Prävention sexueller
Gewalt
mit einem Internetprojekt:
www.niceguysengine.de/www.spass-oder-gewalt.de
Die
interaktive Website zum Einsatz in der pädagogischen Praxis
Nach langjährigen Forschungserfahrungen mit den Themen sexuelle Gewalt und Prävention entwickelten wir
am Deutschen Jugendinstitut in München die Idee, auf der Basis unserer Arbeit ein Internetprojekt als Lern-
möglichkeit für Jugendliche ab 12 Jahren erstellen zu lassen. Dieses Projekt wurde 2004 bis 2006 mit
Mitteln der Stiftung Jugendmarke durchgeführt und die Website: www.niceguysengine.de kann einfach aus
dem Internet heruntergeladen werden.
Mit ihr wird PädagogInnen ein Mittel an die Hand gegeben, das ihnen zunächst nichts weiter abverlangt als
die Website in die pädagogische Arbeit einzubauen und die Jugendlichen in der Auseinandersetzung mit den
angebotenen Themen zu begleiten.
Jungen und Mädchen lernen hier,
sexualisierte Gewalt in ihrem Umfeld und im eigenen Verhalten zu erkennen.
Mittels Fragebögen,
Texteingaben, Interviews und Videos berichten sie über eigene Erfahrungen. In
den Frage-
bogenauswertungen können Sie diese online einsehen. Jungen interessieren
sich besonders für den jugend-
gerecht formulierten Auszug aus
dem Strafgesetz: hier lernen sie Fachbegriffe und Strafmaß für erlittenes und
ausgeübtes Unrecht. Jungen
dokumentieren hier (zum ersten Mal!) ihren Umgang mit Pornografie und
ergründen:
Was ist Spaß - was Gewalt? Was genau ist sexuelle Belästigung? Kann ein Junge vergewaltigt werden? Sie er-
fahren Ausmaß und Hintergründe sexueller Übergriffe, erkennen den Gruppendruck wieder und werden zu Zivil-
courage ermuntert: wie können Weigerung
und Eingreifen aussehen? Im Quiz „Wann ist ein Mann
ein Mann?“
lernen sie, Stolz, Eitelkeit und
Selbstachtung zu unterscheiden.
Entwickelt wurde die Plattform
von Cristina Perincioli, Filmemacherin und Multimediaproduzentin
in Berlin-
Brandenburg.
Die Nutzung ist kostenfrei.
Um Engpässe in der Verfügbarkeit des Zugangs zum Internet zu vermeiden – z.B. wenn eine ganze Klasse
gleichzeitig online geht, kann auch eine CD-Rom bestellt werden, die die Arbeit allerdings einschränkt, da sie
nicht interaktiv ist. Mehr bei: www.niceguysengine.de
Kontakt und nähere Informationen:
perincioli@sphinxmedien.de,
a.heiliger@t-online.de
Sexuelle Gewalt in ihren verschiedenen Tatformen ist ein
besonders scheußliches Delikt, darin besteht allseits
Einigkeit. Vielfältige Bemühungen gelten daher seit Ende der
80er Jahre ihrer Prävention, die sich als Primär-
prävention vor allem an potenzielle Opfer und als
Sekundär- bzw. Tertiärprävention an erwachsene
Sexualstraf-
täter zur Verhinderung von
Wiederholungstaten richtete und weiter richtet. Der Erfolg dieser Maßnahmen
wird in
Forschung und Praxis widersprüchlich beurteilt.
In den letzten Jahren begann nun ein dritter
Präventionsansatz, die Täterprävention, zunehmende Aufmerksam-
keit zu erlangen, vor allem seitdem eine
vergleichsweise hohe Beteiligung von Jugendlichen an sexuellen Ge-
walttaten deutlich geworden ist. Es liegt auf
der Hand, dass die Verhinderung von Täterschaft die erfolgreichste
präventive Maßnahme darstellt, doch hat sich hierfür bisher
noch kein Konzept durchsetzen können, das allge-
meine Zustimmung findet.
In die neuere Jungenarbeit fließt der Aspekt der
Täterprävention z.T. ein, da sexuelle Gewalt im Wesentlichen
durch Jungen und Männer ausgeübt wird. Die Verbindung zwischen
Machtaneignung durch sexuelle Gewalt
und einem traditionellen Männlichkeitsverständnis, das
Machtbedürfnis fördert, wird hier thematisiert und abzu-
bauen versucht.
Dieser Ansatz gilt als sehr erfolgversprechend, erhält
jedoch noch zu wenig Unterstützung, um dem Impuls zu
sexueller Gewalt in breitem Umfang wirkungsvoll vorzubeugen.
Es fehlten bisher noch handhabbare, standar-
disierte Handlungsanleitungen für pädagogische
Fachkräfte und eine Reihe von Faktoren erschweren die kon-
sequente und breite Umsetzung dieser
Prävention: Zeitmangel zum Durcharbeiten von Materialien, Ausbildungs-
lücken zum Umgang mit den Themen sexuelle Gewalt,
Sexualität und alternative Männlichkeitskonzepte sowie
persönliche Hindernisse, sich den Themen stellen zu können.
· Jugendliche im kritischen Umgang mit Bildern, die zu sexueller Gewalt ermuntern, begleiten.
Vor dem Hintergrund einer quasi Überschwemmung der
Gesellschaft mit sexuellen Themen, einer Übersexua-
lisierung und Pornografisierung
in der Darstellung von Frauen in Werbung, Film, Fernsehen, Internet und Print-
medien ist jedoch eine Begleitung von Kindern
und Jugendlichen zu einem kritischen Umgang mit diesen Bildern
dringend angesagt. Ziel wäre hierbei neben dem
Aufklärungseffekt, Jugendliche zu befreien vom scheinbaren
Automatismus, die Botschaften der Bilder selber ausführen zu
müssen und sie zu ermutigen, sich zu weigern,
sexuelle Übergriffe als Männlichkeitsbeweis zu sehen sowie
als Kompensation von Problemen zu praktizieren.
Anita Heiliger